Erstes Dialogforum erfolgreich gestartet
Die Corona-Zeit mischt die Karten neu. So könnten wir unser erstes Dialog-Video-Forum gestern Abend zusammenfassen. Unter dem Motto „Das Gute wahrnehmen – Austausch über aktuelle Erfahrungen“ teilten die knapp 20 Teilnehmer neue kreative Ideen in Gemeinden oder von einzelnen. Beispielsweise versorgte ein Rentner alle Mitglieder seiner kleinen Gemeinde mit einem Scherenschnittbild und einer Grußkarte. Andernorts wurden neue Kontakte über den Gartenzaun oder beim Balkonsingen geknüpft, aus denen Freundschaften entstanden seien.
Selbstbestimmung oder Zwang
Drei Kurzbeiträge vertieften einige Impulse. Antje Silja Schwegler, Assistentin der Geschäftsführung im Diakoniewerk, stellte über die Lebenssituation älterer Menschen fest: „Die soziale Vereinsamung hat zugenommen.“ Zugleich machte sie auf die zwiespältige Situation aufmerksam. Einerseits seien die erlassenen Beschränkungen aus „Fürsorge“ getroffen worden, andererseits führten diese in die „Isolation“. Teilweise könnte sogar von einer „Diskriminierung“ Älterer gesprochen werden. Nicht alle dürften „in die gleiche Schublade gesteckt werden“, denn „das Alter“ gäbe es sowieso nicht. Viele ältere Menschen handelten auf Grund ihrer großen Lebenserfahrung „sehr vernünftig“. Jetzt müsse jeder dazu beitragen, die Vereinsamung wieder zu vermindern. Eine kleine Möglichkeit dazu sei die Verteilung von „Bewegungspackungen“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Geheimnis der kleinen Begegnungen
Vorstandsmitglied Anja Bloedorn, Pastorin in Esslingen, meinte: „Jesus hat nie gesagt, feiert Gottesdienste, sondern begegnet Menschen.“ In den zurückliegenden Monaten habe ihre Gemeinde „das Geheimnis der kleinen Begegnungen“ neu entdeckt, was „sehr jesuanisch“ sei. In einer Kleingruppe könne jeder „seine Maske abnehmen“, geistliche Entdeckungen teilen oder sich „wohlwollend ins Leben hineinreden lassen“. Zugleich plädierte Anja Bloedorn dafür, beispielsweise sich beim Thema Nachhaltigkeit in bestehende Gruppen einzubringen, anstatt eine „Extragruppe“ in der Gemeinde anzubieten.
Einsamkeit kein Tabuthema mehr
„Das Thema Einsamkeit konnte aus dem Tabubereich herauskommen.“ Daria Kraft, Leiterin der Koordinierungsstelle für Integration und Geflüchtete des Diakoniewerks, nannte das in ihrem Impulsvortrag „In Kontakt bleiben“ „ein großes Plus“ der Corona-Krise. Allerdings sei Einsamkeit „keine Frage des Alters“. Als „katastrophal und hoch risikohaft“ bezeichnete sie die Zugangsverbote in Sammelunterkünfte für Geflüchtete. Vor allem Kinder hätten dort wenig Platz. Deshalb habe sie beispielsweise eine „Schnitzeljagd im Familienverbund“ angeboten. Dies erfordere jedoch einen hohen Mitarbeiteraufwand. Zugleich sei es wichtig, auch in „digitalen Begegnungen Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen“, etwa durch ein Spiel, eine kleine Aktion oder die Einspielung eines kleinen Videos.
Das Gute wahrnehmen
Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass bei weiteren Lockerungen die guten Erfahrungen der vergangenen Monate weitergeführt werden müssen. „Wenn wir an allem Alten festhalten, wird uns das viel Kraft kosten“, sagte beispielsweise Lars Heinrich, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Tübingen. Zugleich hätten sich neue Anknüpfungspunkte in die Gesellschaft ergeben, lautete ein Statement einer Kleingruppe innerhalb des Forums. Deshalb dürfe keine weitere Abgrenzung gelebt werden, wie das früher den Gemeinden vermittelt wurde.
Dialogforum wird fortgesetzt
Das Diakoniewerk will sein Video-Dialogformat am 7. Juli 2020 fortsetzen, um die diakonischen Herausforderungen noch stärker in den Blick zu nehmen. Zuvor bietet es ein Webinar zum Thema Einsamkeit am 30. Juni 2020 an. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 20:00 Uhr. Eine Anmeldung ist über info@diakoniewerk-bw.de erforderlich. Zugangsdaten werden zugemailt.
Holger Gohla
Vorstandsvorsitzender des Diakoniewerks Baden-Württemberg